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GalerieBärbelGrässlin

Galerie Bärbel Grässlin

Stefan Müller
Moderner Anstrich
11 Mar – 15 Apr 2023

Eine gedehnte Fläche

Durch die Hinzufügung schablonierter Punkte, die seine großen Tableaus bevölkern, kommt in der neuen Bilderreihe von Stefan Müller eine noch ausgeprägtere Komplexität der Oberflächenaktivität zum Tragen. Das vorgegebene Muster dieser Punkte ermöglicht es dem in Berlin lebenden Maler, eine neuartige Spannung zwischen dem dargestellten und dem realen Raum der planen Oberfläche der Leinwand zu erzeugen, indem er in ihrem erweiterten Feld ein System von Aporien aufbaut. Diese unauflösbaren und malerischen Intervalle zwischen schablonierten und gemalten Zeichen lassen ein spinnennetzartiges Gerüst aus kontrastierenden Farben und Strukturen entstehen, mit dem der Künstler seine jahrzehntelange archäologische Erkundung des flachen Terrains der aufgespannten Leinwand fortsetzt. Die Hinzufügung der Schablonenformen zum bestehenden Repertoire sollte als Erweiterung seines einzigartigen Umgangs mit den gegenständlichen Methoden der Bilderzeugung verstanden werden, für die er ein vorgefertigtes Werkzeug benutzt, um das für seine Arbeiten typische Spannungsverhältnis zwischen Vorder- und Hintergrund zu erzeugen.

Auffallend an diesen neuen Arbeiten ist das Ausmaß, mit dem sie an einer allumfassenden Spannung innerhalb ihres vielfältigen Bezugssystems festhalten und dabei niemals zulassen, dass einzelne Elemente oder Zeichen eine Illusion des Zurückweichens oder der Tiefe entstehen lassen. Trotz des Potenzials für das Auftreten solcher Löcher faltet Stefan Müller das Raum vortäuschende Raster auf sich selbst zurück und verwandelt damit jede Anwendung der Schablone in ein diffuses Arrangement, das die malerischen Gesten, die darunter, daneben und darüber existieren, sowohl strukturiert als auch auflöst. Erwähnenswert ist hier, dass dieses spezielle Prinzip – das Raster – ursprünglich für die Vergrößerung von Fotografien entwickelt wurde, um für den Druck und später auch für das Fernsehen die Reproduktion zu vereinfachen. Für Stefan Müller eröffnen die Punkte jedoch eine Infragestellung seines einzigartigen Systems einer Aufrechterhaltung einer gleichmäßig angelegten Bildfläche. Die Bewegung nahe an der schwindelerregenden Oberfläche des Bildes trägt dazu bei, Momente von mikrofeiner Intensität zu offenbaren, in denen die Linie zu Farbe wird, um umgekehrt ein ausgedehntes Netz von Pentimenti, bei dem man nie mit Gewissheit weiß, was sich darunter oder darüber befindet, wobei die Schablonen das Maß der Unschlüssigkeit nur noch verstärken. Aus der Distanz betrachtet verschmelzen diese durch Intensität gekennzeichneten Zonen zu einer Allgegenwärtigkeit, die so gespannt wirkt wie eine spiegelglatte, ungestörte Wasserfläche.

Stefan Müllers neue Arbeiten reihen sich in eine Genealogie der Nachkriegsmalerei ein, sind jedoch nicht vollständig von dieser bestimmt. Vielmehr ist es ihm gelungen, in seinen Bildern eine ganz eigene Äußerlichkeit zu finden, die weder hermetisch noch völlig willkürlich ist. Es genügt, den Raum zu spüren, den Müllers Werke so großzügig öffnen, um zu wissen, dass seine Vorgehensweise unter seinen Lehrern und Zeitgenossen einzigartig ist, wie ein mitreißender Popsong, der sich aus klaren, kontingenten Teilen zusammensetzt, deren Gesamtheit aber viel größer ist als ihre Summe. Den engsten Bezug haben die neuen Arbeiten wohl zu denen seines Dozenten an der Städelschule, Thomas Bayrle, der ein ganzes System von Bildern entwickelt hat, die auf dem Prinzip der Wiederholung einzelner Elemente beruhen – Panzer, Mobiltelefone, Symbole –, die zusammen ein größeres Bild ergeben. Müllers Schablonen kreisen um diese Idee, doch sind seine Gemälde ganz klar Gemälde und keine Bilder. Die formale Gestalt ist nur insofern interessant, als sie die disparaten Elemente in Schach hält, nicht zum Mimetischen beiträgt, jedoch zu einer intensiven Materialität, die alles auf die Oberfläche zurückzieht und die zugleich Entstehungsort als auch der Ort ist, an dem die Dinge zur Ruhe kommen.

Es liegt eine gewisse Wahrheit in dieser Methode, die eine Offenlegung der Werkzeuge seines Handwerks ist, von der Schablone bis zum Pinsel, von der Linie zur Farbe. Nicht nur die einzelnen Elemente werden in ihrer radikalen Einzigartigkeit gezeigt, sondern auch ihre Fähigkeit zu Veränderung, ihre unendliche Wandelbarkeit. Verfolgt man die Markierungen auf einem dieser neueren Werke, dann erhält man den konkreten Beweis dafür, wie beispielsweise die Kontur einer schwarzen Linie die Umrisse einer Form beschreibt und gleichzeitig doch auch als eigenständiges malerisches Element existiert. Man denkt unwillkürlich an die Reduktion einer klassischen Landschaft auf ihre einzelnen Bestandteile wie bei Cézanne oder mitunter auch an die autonome Bewegung von Farbe, die an das Spätwerk von Morris Louis erinnert. Die Erwähnung dieser beiden Künstler bietet eine hilfreiche Orientierung hinsichtlich der technischen Mittel, wie sie Müller einsetzt, aber auch, weil es sowohl Louis als auch Cézanne gelang, innerhalb der begrenzten Fläche der Leinwand einen Raum zu schaffen, der keine Nachahmung der Gesetze der räumlichen Konstruktion darstellte, die außerhalb ihrer Werke existierten; sie haben vielmehr eine Art atmende Offenheit ausgestrahlt, die sich entfaltete, obwohl die Mittel ihrer Konstruktion nie vereinzelter waren; oder vielleicht weil ihre Methoden so eigenständig waren.

The Tensile Screen

Stefan Müller's new group of paintings evince an ever-greater complexity of surface activity with the addition of stenciled dots that populate his large tableaux. The predetermined pattern of these dots enables the Berlin- based painter to achieve a newfound tension between the depicted and real spaces of the canvas's flat surfaces, creating a system of aporias throughout their expansive field. These irresolvable pictorial intervals between stencil and painted mark apply a spiderweb of contrasting colors and textures, which continue the artist's decades-long archaeology of the flat terrain of the stretched canvas. The addition of stencils within Müller's extant repertoire should be understood as an extension of his unique approach to the concrete modes of picture making, employing a readymade device for building his trademark push-pull between foreground and background in his works.

What is striking about these new paintings is the degree to which they hold fast to an overall tension within their diverse framework, never letting individual elements or marks produce illusions of recession or depth. Despite the potential for such holes to occur, Müller folds the space-making trickery of the raster back onto itself, turning each application of the stencil into a hazy arrangement that both structures and dissolves the painted gestures that exist beneath, alongside, and above them. It is worth remembering that this particular schematic – the raster – was initially developed as a device for enlarging photographic images to allow for greater ease of reproduction in print, and later, television. For Müller, however, the dots offer a challenge to his unique system for maintaining an evenly-distributed representational field. Movement close to the painting's dizzying surface helps to reveals moments of micro intensity, where line becomes color and vice versa, a vast network of pentimenti, where it is never certain what is beneath or on top, the stencils only adding to the degree of irresolution. Seen then from afar, these zones of intensity merge into an alloverness, as taught as the surface of an undisturbed body of water.

Müller's new works stand within a genealogy of postwar painting, but it is not fully determined by it. Rather, Müller has managed to find an outwardness in his paintings that is entirely his own, neither hermetic nor completely arbitrary. It is enough to feel the space generously provided by his works to know that Müller's approach is unique among his teachers and contemporaries, like a captivating pop song that is composed of clear, contingent parts, but whose wholeness is greater than their sum. The closest connection to the new works is likely the artist's teacher at the Städelschule, Thomas Bayrle, who has built an entire system of works based on the principle of repeating individual elements – tanks, cellphones, symbols – that create a larger image. Müller's stencils gravitate around this idea, but his paintings are resolutely paintings, and not images. The gestalt form is only interesting insofar as it holds the disparate elements in check, contributes not to mimesis but to an intense materiality, pulling everything back down to the surface that is both genesis and final resting place.

There is a truth in this method, understood as a laying bare of the tools of his trade, from stencil to brush, from line to color. What is revealed is not just the individual elements in all their radical singularity, but their ability for transformation, for infinite mutability. Tracing the marks on one of these newer works offers concrete proof of how, for example, the contour of a black line describes the outline of a shape and simultaneously exists as a patch in ts own right. Here, one could easily think of the discretization of a classic Cézanne landscape, and at times, as the autonomous movement of color reminiscent of late Morris Louis. Mentioning these two artists is a helpful point of orientation for the technical devices that Müller employs, but also because both Louis and Cézanne managed to create a space within the restricted field of their canvases that was not an imitation of the laws of spatial construction that existed outside of their works; rather, they issued a kind of respiratory openness, unfolding even as it its means of construction were never more discrete; or, perhaps because their methods were so distinct.

Text: Colin Lang
Übersetzung: Petra Gaines

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