Michael Beutler
Sep 3—Oct 23 2010
Elefant und Schwein im 3D-Wandteppichstall
DAS SYSTEM
Material
1. Rohmaterial
50 cm breite einseitig gewellte Wellpappe aus der Verpackungsmittelindustrie in Rollen von etwa 70 Meter Länge, dreilagiger einfacher Wellpappkarton Tuschen und Textilfarbpulver Papierklebeband und Handtackernadeln Holzleim
2. Verarbeitetes Material
25 cm tiefe, 2 m breite und bis zu 5,5 m hohe teils farbige aus Wellpappe gewobene Wandelemente (3D-Wandteppiche)
Das Team
Zum Weben werden zwei Personen benötigt. Eine steht auf der einen Seite vom Webstuhl und die andere auf der anderen Seite. Beide machen auch fast dasselbe, doch gibt es noch weitere Dinge zu tun, die vor allem die Vorbereitung des Webmaterials betreffen, so dass stets noch eine dritte Person benötigt wird.
Andere Werkzeuge Jede Person arbeitet mit einem Handtacker (der wie eine Zange verwendet wird, also wird kein Tisch zum Klammern benötigt) sowie einen Cutter. Desweiteren viele extra Klingen, eine hohe Leiter oder ein rollbarer Gerüstturm (man sollte 5,5 m Höhe erreichen können), Pinsel zum Leimen.
Die Vorrichtung
1. Bestandteile
Eine Kartonschneidevorrichtung zum Zuschneiden des Kartons auf 25 cm Breite Ein Schneideschwein zum Zuschneiden der 50cm Wellpappe auf beliebige Breite Ein Webstuhl samt Kipptischablage zum Verweben der Karton- und Wellpappstreifen Zwei Bohnenstangen zum Bewegen der 3D-Wandteppichelemente Eine Farbmangel zum Färben der Wellpappstreifen.
2. Aufbau der Vorrichtung
Im Zentrum der Produktion und späterer Installation steht der Webstuhl mit dem Kipptisch. Links und rechts vom Webstuhl benötigt man jeweils zwei Meter Raum, um ihn bedienen zu können. Der Tisch sollte sich mindestens einen Meter vom Webstuhl selbst wegschieben lassen. Auch hinter dem Webstuhl sollte noch Raum zum Bestücken der Kettbahnen vorhanden sein. Alle anderen Vorrichtungen sind daher weiter außerhalb dieses Bereichs besser aufgehoben. In der Nähe der Farbmangel wird viel Platz zum Trocknen benötigt. Bei den anderen Geräten ist nichts weiteres zu beachten, außer dass das Ein- und Ausspeisen des Materials irgendwie in einer sinnvollen räumlichen Ordnung geschehen kann, so dass die Beteiligten dieses nicht immerzu unnötig umschichten müssen.
Verwendung der Vorrichtung
Vorbereitung des Webmaterials
1. Die Kartonstreifen - der stehende Kettfaden
Neben den üblichen Kett- und Schussfäden gibt es bei diesem Webstuhl noch einen stehenden Kettfaden. Dieser stehende Kettfaden ist aus langen 25cm breiten Kartonstreifen zusammengeklebt und sorgt für die Tiefe des Wandteppichs. Die Länge der Streifen richtet sich nach der Höhe der gewünschten Wände (Wandhöhe plus 60 cm). Der Karton ist nicht in diesen Maßen erhältlich und muss deshalb speziell angefertigt werden: einzelne Pappen werden mit der flachen Hand an der Holzwand (Stoß) entlang durch die Klinge geschoben und so auf die gewünschte Breite geschnitten. Sind die Streifen noch zu kurz, so werden sie mit Leim überlappend (immer auf derselben Seite gleich einem Zollstock) aneinandergeleimt.
2. Die Wellpappe - Kett- und Schussfaden
Das Schneideschwein sorgt hier für Spaß und Staub. Die Wellpapprolle wird mit dem Besenstiel im Kern in den Kasten, den Bauch des Schweins, eingelegt. Die Rolle sollte sich nach hinten/unten (da wo das Gesicht ist) abrollen, wird jedoch von hier durch die Klinge geführt, unter das hängende Plastikrohr gezogen und am Ende zwischen Besenstiel und Kupferrohr eingeklemmt. Wird der Hebel gedreht, so schneidet sich die Pappe ganz von selbst und wickelt sich dabei wieder auf. Je nachdem welche Seite der Pappe später gefärbt werden soll, wird entweder rechts oder linksherum gedreht. (Rippen: gegen den Uhrzeigersinn) Für den Kettfaden wird die gekaufte Wellpapprolle der Breite nach genau halbiert. Der Schussfaden kann zwischen 10 und 40 cm beliebig zugeschnitten werden (hierzu wird die Klinge versetzt). Die fertigen Rollen werden von der Hebelachse geschoben und zum Färben aufgestapelt.
Färben der Wellpappe
In den Trog der Farbmangel wird gerade soviel Tusche oder angerührte Textilfarbe gegossen, dass die Farbmangel mit der Flüssigkeit in Berührung kommt. Die Wellpapprolle wird auf einen Besenstiel gesteckt und dieser zwischen die Backen der Mangel eingelegt. Durch bloßes Abwickeln der Rolle wird diese gefärbt. Die Farbe kommt jeweils auf die Pappseite, welche auf der Rolle außen ist. Das Färben dient in erster Linie der Gestaltung der einzelnen Wände. Verwebte nicht gefärbte Streifen ergeben große graue Flächen. Sobald jedoch ein Band gefärbt ist, entsteht ein farbiges Raster. Das Gewebe tritt hervor und jede Wand wird eigen und besonders unter den anderen. Die benutzte Farbe wird von der Pappe aufgenommen und deckt nicht. Der graufarbige Unterton bleibt stets erhalten und sorgt dafür, dass die Wandflächen nicht in kontrastreichen Farbmustern auseinanderfallen. Nach dem Trocknen werden die Pappen wieder aufgerollt. Die Kettfäden bleiben in voller Länge, während der Durchmesser der Schussfadenrolle nicht größer als 50 cm sein sollte.
Das Weben
Befüllung des Webstuhls
1. Die Kettfäden
Acht Rollen werden nebeneinander unterhalb der kleinen Kästen am hinteren Ende des Webstuhls auf den Boden gelegt und jeweils an den vorhandenen Enden der Kettfäden mit Klebeband befestigt. Eine Person dreht an den Hebeln, so dass sich die Ketten aufwickeln, während die andere Person unten dafür sorgt, dass die Rollen nicht wegrollen oder auseinanderreißen. Es wird solange gewickelt, bis der Kettbaum einen Durchmesser von einem Meter erreicht. Die Kettbänder werden durch die Kupferrohrschlitze gezogen und auf gleicher Länge hängen gelassen.
2. Die stehenden Kettfäden
Die neun Kartonstreifen werden von hinten neben den Kästchen in die Schlitze bis zum vorderen Ende des Webstuhls eingeschoben. Die losen Enden werden sortiert auf dem ausklappbaren Tisch abgelegt.
3. Der Schussfaden
Auf der rechten Seite des Webstuhls, dort wo das Geländer der Plattform etwas höher als auf der anderen Seite ist, wird mit einer Stange im Kern die Wellpapprolle in den schwarzen Kasten eingelegt und der Anfang der Rolle aus dem Schlitz gezogen.
Der Anfang vom Weben
Die erste Handlung des Webens entspricht dem üblichen Bewegungsablauf beim Weben selbst: Der Anfang vom Schussband wird in die Klemme des Schiebers eingehakt. Dieser wird über die Kammern auf die andere Seite des Webstuhls geschoben. Hier entnimmt der zweite Weber das Wellband aus der Klemme und klemmt es in den zweiten Schieber, welcher folglich unterhalb der Kammern zum ersten Weber zurückgeschoben wird. Dann schneidet der erste Weber das Band auf seinem Schieber durch und wirft das lose Bandende zurück, sodass es auf dem Spenderkasten hängt. Beide Weber schieben nun beide Schieber bis zum Anschlag nach vorn. Dort zieht der erste Weber seinen Schieber seitlich aus der Fläche, spannt das Band, klammert die Enden zusammen und schneidet den Rest des Bandes ab.
Nun müssen die Kettbänder an die Schussbandschlaufe geklammert werden. Die einzelnen Bänder werden nacheinander einmal über die obere Seite der Schlaufe gefädelt und dann an der unteren Seite der Schlaufe festgeklammert, einmal unter die untere Seite der Schlaufe geführt und an der oberen Seite der Schlaufe fixiert. Anschließend werden die stehenden Kettbänder 30 cm weit aus den Kammern gezogen, an den Kammerenden der Reihe nach gefaltet und am jeweils nächsten Band festgeklammert. So schließt sich das vordere Ende der Wand und es kann mit dem Weben begonnen werden.
Der Tisch ist hochgeklappt und wird am Webstuhl eingehängt. Die Weber betreten den Webstuhl. Das Fach wird gewechselt. Das bedeutet, dass auf beiden Seiten gleichzeitig die oberen Griffe nach unten gezogen werden. Die Rahmen schieben sich aneinander vorbei und die Kettfäden, die vorher oben waren, sind unten, die unten waren, sind oben. Beim Wechsel drückt man den unteren Schieber mit der Hüfte gegen den Anschlag, damit das Gewebe nicht zurück in den Teppich gezogen wird. Nun zieht auch der zweite Weber seinen Schieber seitlich aus dem Gewebe und der erste beginnt von neuem mit dem Einfädeln des Schussbandes. Dieser Prozess wiederholt sich: Schieber befädeln, durchschieben, Schieber nach vorn schieben, Schlaufe schließen, Kammer wechseln,...so lange, bis das Gewebe die gewünschte Länge erreicht hat.
Sobald das Vorschieben zu schwierig scheint, muss kontrolliert werden, was nicht in Ordnung ist, bevor die doch recht fragilen Bänder zerreißen. Dann gibt es da noch den Dellenkamm, den der zweite Weber, immer direkt bevor der erste Weber das Band spannt, auf das Schussband legt, so dass sich dieses in das Innere des Gewebes beult. Dadurch entsteht ein gewollter ästhetischer Effekt, der außerdem die Statik der vertikalen Wände verbessert. Die Beulen verweisen zudem auf die Tiefe der Wand. Ist das Gewebe perfekt gespannt, entsteht eine wirklich ebene Fläche, die keine Vermutung auf das Volumen der Wände zulässt. Da dies jedoch eine besondere Qualität des Wandteppichs ist, sollte mit den Beulen bewusst gearbeitet werden. Ab und zu muss jedoch auch eine stramme Schlaufe gewebt werden, damit die Wand als Ganze nicht seitlich auseinander fallen kann. Außerdem gibt es noch die Möglichkeit, an zwei Stellen ein doppeltes Kettband zu führen. Dafür gibt es einfache Aufhängungen im hinteren Bereich des Webstuhls. So lassen sich ungefärbte Bänder mit farbigen überdecken.
Wenn der Teppich die gewünschte Länge erreicht hat, werden die Kettfäden, sowohl die gewöhnlichen als auch die stehenden, 30 cm hinter der letzten Schlaufe abgetrennt. Wie am Anfang werden die Bänder aneinandergeklammert. Die stehenden Bänder können jedoch erst verbunden werden, wenn der Teppich ganz auf den Tisch geschoben und dieser vom Webstuhl gelöst gekippt worden ist. Das Wandelement steht nun auf der Seite. Die stehenden Bänder werden noch einmal vorsichtig gespannt und dann auch geklammert. Der 3D-Wandteppich wird auf die Seite geschoben oder gelegt und das nächste Element kann produziert werden.
Die Installation
Standort
Der 3D-Wandteppichstall wurde für die Ausstellung in der Galerie Bärbel Grässlin entworfen. Der Webstuhl selbst ist das Kernstück der Installation und steht mit hochgeklapptem Tisch und angefangenem Gewebe im Zentrum des Raumes. Der Galerieraum hat eine „Sparkassendecke". Ein weißes quadratisches Blechgitter, durch das Licht und Luft strömt. Ein mattes Eichenparkett bedeckt den Boden und hohe weiße Wände begrenzen den Raum, der selbst keine Tür, sondern nur eine große Öffnung zum Eingangsbereich der Galerie hat. Das Gewebe bezieht sich in erster Linie auf die „Sparkassendecke". Die graue Wellpappe bildet das poröse Pendant zu den Betonräumen im Vorraum und die leichte Färbung der Pappe findet sich im Fußboden wieder. Die Galerie ist gerade groß genug, um die Weberei zu beherbergen.
Mindestmaße des Raumes
5 m x 8,5 m x 13 m
Präsentation und Aufbau
Die frisch gewebten Teppiche sind äußerst fragil und daher vorsichtig zu behandeln. Dies gilt besonders, wenn sie auf dem Boden liegend in eine aufrechte Position gebracht werden: auf den beiden Längsseiten der Teppiche wird behutsam eine Bohnenstange unter das Gewebe geschoben. Mithilfe der Bohnenstangen wird das Gewebe über die kurze Seite an die Wand gelehnt. Die Akteure sollten sich absprechen, damit sich die Sache nicht überschlägt und die Wand durchknickt, was schade wäre. Einmal errichtet, lässt sich die Wand ohne große Mühe mit den Bohnenstangen (immer leicht an diesen angelehnt) verschieben.
Der Raum sollte nicht verbaut werden, seine Dimension erhalten bleiben. In der Galerie Bärbel Grässlin hat es sich ergeben, dass die Elemente jeweils abwechselnd an der Wand und senkrecht von der Wand in den Raum stehen. Die Wandteppiche stehen so dicht, dass sie sich gegenseitig stützen und nicht fallen können. Wenn die in den Raum ragenden Wände, wie zum Beispiel in den Ecken, Bereiche der Galerie versperren, so werden diese Wände einfach weggelassen. Auch um den Webstuhl sollte man noch gehen können. Sind die Teppiche an den Wänden zu niedrig, können sie durch kleinere ergänzt werden. Durch die Wandstellung entstehen Stallnischen, in welchen die anderen Vorrichtungen platziert werden können.
Regeln und Verhalten
Da nicht alle Wände gleich hoch, gleich stabil und gleich gefärbt sind, gilt es für jede Wand, den bestmöglichen Ort und die bestmögliche Nachbarschaft zu finden - was sich beim Installieren ergibt. Sackende Wände, die so wunderbar ihre Machart vorstellen, sind genauso beliebt wie durch und durch steife Teile, gegenseitig unterstützen sie sich und tragen zu einem vielseitigen Gesamteindruck bei. Dabei ist eine gewisse Klarheit im Raum sicherlich wichtig. Das Weben ist so minimal und einfach in seiner Technik, dass auch die Installation ohne großes Verwirrspiel auskommen sollte. Daher ist der freie Blick auf gewebte Eigenheiten dramatischer räumlicher Installation vorzuziehen.
Abbau
Die Elemente können zurückgewebt werden. Das gefärbte Material wird samt Webstuhl und anderen Vorrichtungen aufgehoben und wird bei der nächsten Gelegenheit wieder verwebt.
Michael Beutler, 2010