Galerie Bärbel Grässlin

Günther Förg
Ohne Titel, 2008
Nov 3Dec 19 2020

2008 schafft Günther Förg eine Serie von 23 Gemälden. Die Bilder sind klein, unbetitelt und allem Anschein nach in rascher Folge, wahrscheinlich liegend auf einem Tisch, in Acryl auf vorgeschnittenen Leinwandstücken gemalt. Wie »in einem Rutsch«, hätte Förg gesagt, und »ich liebe das, die schnellen Entscheidungen«. 

Der Eindruck von Schnelligkeit ist allerdings ein vordergründiger. Solche Spontaneität ist möglich aufgrund von jahrelanger Übung, durch die man »trocken wird wie Asche«, wie es der alte Matisse genannt hat. Und in diesem Sinn sind Förgs kleine Bilder bei aller situativen Unmittelbarkeit nicht bloß Studien oder Skizzen, sondern vollwertige Gemälde. 

Die Farbigkeit ist zurückhaltend, einfach. Bis auf seltene Ausnahmen bewegt sich Förg zwischen wenigen Tönen: Schwarz, Weiß und Grau. Die Farbe hingegen ist immer vollkommen da und entfaltet erstaunliche Präsenz. Hauchdünn aufgebracht steht sie für sich oder wird nass in nass in der umgebenden Fläche vermalt. Gegenüber dieser farbigen Bescheidenheit treten Dinge, Figuren, Motive zurück oder sind ohnehin längst in die malerische Erfahrung eingegangen. 

So verschieden die einzelnen Bilder in Gestalt, Rhythmus und Temperament erscheinen mögen, so sind sie doch aufeinander bezogen. Sie gehen auseinander hervor und antworten einander. Schonungslos fragt Förg, »wie weit kannst du mit der Malerei an ihre Grenzen gehen«? Wie weit reichen das eigenes Formvokabular, die Farben, die Formen? Wie weit reicht das alles, wenn es plötzlich in Fetzen liegt? 

Ganz elementar bringt er die 23 Gemälde »ans Äußerste«. Dahin, »wo es auch kippen kann«. An dieser extremen Zuspitzung »interessiert [ihn], was sich dabei verändert und weiterentwickelt«. In aller Offenheit stellt er seine Malerei zur Disposition. Im selben Augenblick aber denkt er sie bereits weiter, über sich hinaus.

Förgs Malerei ist ein fortwährender Balanceakt. Es ist eine Malerei der ausgehaltenen Gegensätze: Ordnung und Aufruhr, Konzept und Expression. Gegensätze, aus denen kein Weg hinausführt. Zwischen ihnen, in ihrer Mitte, stellt sich jedoch Gleichgewicht ein. Dabei geht es nicht um Vollkommen-, sondern um Offenheit. Nichts von dem, das war, hinnehmen, sondern alles offenhalten. Sich selbst offenhalten. Weiterdenken, weitergehen. 

Das wäre vielleicht etwas, das uns Günther Förg bis heute aufgegeben hat: »etwas inmitten«, ausweglos zwar, aber immer »etwas Freies«.

 


      Günther Förg
      Ohne Titel, 2008
      Nov 3—Dec 19 2020

In 2008, Günther Förg creates a series of 23 paintings. The paintings are small, untitled and, painted in acrylic on pre-cut pieces of canvas, apparently have been made in rapid succession, probably upon a table. »In one go«, Förg would have said and »I love this part, the quick decisions«.

However, the impression of speed is an intricate one. Such spontaneity is possible only after years of practice, through which one becomes »dry as ashes«, as the old Matisse used to say. And in this sense, Förg’s small images, for all their situational immediacy, are not merely studies or sketches, but full-fledged paintings.

Their chromaticity is restrained, simple. With rare exceptions, Förg moves between a few hues: black, white and gray. Color, on the contrary, is always wholly there, unfolding an astonishing presence. Applied wafer-thinly, it stands on its own or is blended wet in wet with the surrounding plane. Given this coloristic modesty, things, figures and motifs recede or have long since merged into the painterly experience anyway. 

As varied as the individual images may appear in shape, rhythm and temperament, they are still accordant. They emerge from and respond to each other. Unrelentingly, Förg asks, »how can you go with painting to the edge«? How far does one’s own vocabulary, the colors, the forms carry? What’s the good of it all, when it suddenly lies in shreds?

Most elementarily, he takes the 23 paintings »to the extreme«. To a point, »where things barely hang in balance«. In this fierce intensification, »he is interested in what changes and evolves in the process«. Openly, he puts his painting up for discussion. At the very same moment, though, he is already thinking ahead, thinking beyond.

Förg’s painting is a continuous act of balancing. His practice consists of endured contrasts: Order and turmoil, concept and expression. Opposites from which there’s no way out. Yet among them, in their midst, equilibrium materializes. It is not about perfection but openness. Accepting nothing that was but keeping everything open. Keeping oneself open. Thinking further, moving on. 

Until today, this might be something Günther Förg has tasked us with: »Something in between«, resortless, but always »something free«.